Zwangsneurose

Alzheimer, Demenz, Altersvergesslichkeit, Parkinson, Epilepsie, Schwindel, Kopfschmerzen, Clusterkopfschmerzen, Spannungskopfschmerzen, Depression, Schizophrenie, etc. ...

Moderator: FDG & krank.de Team

Antworten
zwiesel
Beiträge: 26
Registriert: 19.03.2012, 00:26

Zwangsneurose

Beitrag von zwiesel » 22.03.2012, 23:01

Mich interessiert das Thema „Zwangsneurose“. Ich wüsste gern, wie so etwas entsteht und wie schwer es ist, eine Zwangsneurose wieder loszuwerden.
Meine Schwester leidet meiner Meinung nach unter einem regelrecht zwanghaften Lebensstil. Jeder Tag läuft nach dem gleichen Schema ab und das seit mindestens 15 Jahren. Sie fährt nie mit ihrem Mann in den Urlaub, sondern fährt jeden Nachmittag mit ihm für 3-4 Stunden in eine der umliegenden Städte, um dort herumzulaufen. Sie ist Lehrerin, er ist „Hausmann“. Um Punkt halb sieben (abends) isst sie den immer gleichen Salat und um Punkt acht (20 Uhr) gehen sie in ihre Fernseh- und Leseecke und gehen ab da auch nicht mehr ans Telefon. Es werden „seit 1000 Jahren“ immer nur die gleichen Serien geguckt und die gleichen Bücher gelesen. Die Liste könnte ich noch unendlich fortführen. Ich empfinde dieses Leben als „lebendig begraben“. Sie scheint das überhaupt nicht wahrzunehmen. Ich sehe ihr ganzes Leben als eine einzige Zwangsneurose, die geprägt ist von Riten. Als 20jährige lag sie nach einem schweren Unfall 10 Tage im Koma. Ob da eine Gehirnstörung entstanden ist

Gesa
Beiträge: 24
Registriert: 11.01.2012, 09:46

Zwangsneurose

Beitrag von Gesa » 23.03.2012, 18:55

Hallo,
an eine Gehirnstörung würde ich jetzt nicht denken, denn die ist in der Regel nicht der Auslöser für eine Zwangsneurose. Ein traumatisches Ereignis jedoch schon, weshalb da durchaus ein Zusammenhang zum Unfall bestehen könnte.

Akut gibt es Medikamente, die man einsetzen kann. Davon halte ich allerdings nicht viel. Stattdessen muss man mit einer Therapie ran, wobei ich eher die tiefengrundpsychologische Variante der Verhaltenstherapie vorziehe, weil halt der Ursache an den Kragen gegangen werden sollte.

Aber dafür müsste deine Schwester in ihrem rituellen Lebensstil auch ein Problem sehen. Wie steht denn ihr Mann dazu?

Gruß Gesa

zwiesel
Beiträge: 26
Registriert: 19.03.2012, 00:26

Re: Zwangsneurose

Beitrag von zwiesel » 23.03.2012, 21:18

Naja, das Problem ist, dass meine Schwester ihre Situation überhaupt nicht so wahrnimmt und sich in ihrer Lebensweise offenbar auch wohl und sicher fühlt. Ihr Mann macht das alles mit, heißt also, wenn sie jeden Nachmittag in die umliegenden Städte fahren will, kommt er mit. Wenn sie allerdings mal allein Verwandte besucht, genießt er es, mal nicht jeden Tag 'raus zu müssen und hat auch schon gesagt, er will auch einfach mal „hier leben“, also zu Hause sein. Wenn meine Schwester dann bei unseren Eltern ist, hat sie auch ständig „Hummeln im Hintern“, wenn sie ihre gewohnten langen Gänge draußen nicht machen kann. Das ist wirklich krankhaft, - wird aber wie gesagt von ihr nicht so gesehen.
Eine tiefenpsychologische Therapie setzt ja immer voraus, dass der Patient ein Bewusstsein für seine Störung hat und bereit zu einer Änderung ist.
Ich habe mal ganz vorsichtig meine Beobachtungen geäußert - da ist sie richtig ausfällig geworden. Also halte ich mich nun absolut damit zurück, etwas zu sagen und denke mir, solange sie mit ihrer Lebensweise glücklich ist, muss es halt dabei bleiben.

paolo
Beiträge: 23
Registriert: 18.03.2012, 23:55

Re: Zwangsneurose

Beitrag von paolo » 23.03.2012, 22:04

Hallöle Zwiesel,
das hört sich ja doch ziemlich gestört an, was Du da von Deiner Schwester berichtest. Das scheint ja wirklich ein total zwanghaftes Verhalten zu sein, jeden Tag über Jahre auf gleiche Weise zu verbringen.
Wie kann man sein kostbares Leben so an sich „vorbeiziehen lassen“?

zwiesel
Beiträge: 26
Registriert: 19.03.2012, 00:26

Re: Zwangsneurose

Beitrag von zwiesel » 02.04.2012, 22:48

Ja, ich sehe es genauso, dass bei dieser Art, sein Leben zu „gestalten“, kostbare Lebenszeit einfach nur verrinnt, die man viel spannender verbringen könnte, - v.a. abwechslungsreicher. Natürlich ist entscheidend, dass sich jeder mit seinem Leben wohl fühlt und das ist bei ihr ja der Fall, aber wenn man das so hautnah miterlebt, dann ist das schon krass, dieser festgefahrene Lebensstil mit immer gleichen Abläufen. Ich bleibe dabei: ich finde das krank.

webheiner
Beiträge: 126
Registriert: 17.08.2011, 19:19
Wohnort: Reutlingen

Re: Zwangsneurose

Beitrag von webheiner » 04.04.2012, 09:32

Hallo,

ein solches Leben muss nicht zwangsläufig von einer Zwangsneurose geprägt sein. Vielleicht gehört deine Schwester zu den Menschen, die eine sehr streng geregelten Tagesstruktur brauchen, um funktioniern zu können, und möglicherweise spürt sie keine Einschränkung durch ihren Lebensstil, der dir gar nicht behagt.
Zwangsneurosen sehen im Allgemeinen anders aus und die Betroffenen leiden sehr viel mehr als es deine Schwester wohl tut. Unter dieser Situation leidest du offensichtlich am meisten, das ehrt dich. Aber viele Menschen mit psychischen Störungen brauchen genau so einen Lebensstil, um überleben zu können. Vielleicht hat deine Schwester mit ihrem Leben nach Stundenplan einen Weg aus einer persönlichen Krise gefunden und hat trotzdem Freude am Leben? Frag sie doch einmal, vielleicht erfährst du einiges über die Ursachen für dieses recht eigenartige Verhalten, das wohl gar nicht so selten ist. Auch ich erlebe viele Menschen als festgefahren und neurotisch, aber wenn sie nicht darunter leiden, warum sollte man daran drehen?

LG
webheiner

zwiesel
Beiträge: 26
Registriert: 19.03.2012, 00:26

Re: Zwangsneurose

Beitrag von zwiesel » 04.04.2012, 19:50

Vielen Dank für Deinen Kommentar, webheiner! Er hilft mir durchaus ein ganzes Stück weiter, weil Du, wenn ich über alles nachdenke, was Du schreibst, wirklich Recht hast.
Meine Schwester leidet tatsächlich überhaupt nicht unter ihrem Lebensstil, sondern fühlt sich in ihrem „engen Korsett“ total wohl und sicher. Im Prinzip ist mir das egal, wie sie lebt, aber wenn man zusammenkommt, versucht sie mit aller Macht, ihren Tagesablauf den anderen überzustülpen und das empfinde ich als sehr anstrengend und störend. Man kann nicht seinen Tagesablauf in allen Details beibehalten, wenn man Besuch hat. Da muss man schon bereit sein, sich ein bisschen umzustellen und sich auf den Besuch und seine Bedürfnisse einzurichten.
Offen ansprechen kann ich das bei ihr nicht, weil sie dann sofort aggressiv wird und überreagiert, auch wenn man es ganz vorsichtig ausdrückt, also keine Ausdrücke wie Zwangsneurose o.ä. wählt.
Aber es stimmt, was Du schreibst: es gibt viele Menschen, die einen sehr festgefahrenen Lebensstil haben.

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 23 Gäste