Internet-Apotheken - Britische Behörde macht sich Sorgen
Von Arndt Striegler, London Internetversand ist mittlerweile der wichtigste Vertriebsweg, auf dem illegale und nicht zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Ausland ihren Weg nach Großbritannien finden. Jetzt nimmt die britische Arzneimittelbehörde Internetapotheken genauer unter die
Lupe.
Man müsse sich fragen, ob die Liberalisierung beziehungsweise die schlichte Nicht-Regulierung des Online-Vertriebes verschreibungspflichtiger Arzneimittel von und nach Großbritannien »zu weit gegangen« sei, so die Behörde. Diese Aussage deutet nach Meinung einiger Experten im Königreich auf ein Umdenken hin. Wie aus einer aktuellen Untersuchung zum Thema »Online-Apotheken und Patienten« im Königreich hervorgeht, operiert weltweit jede fünfte Online-Apotheke mittels eines in Großbritannien basierenden Servers.
Die britische Arzneimittelbehörde (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency, MHRA) ist angesichts der wachsenden Flut ethischer Arzneimittel aus dem Internet so besorgt, dass sie derzeit insgesamt 100 Internet-Firmen unter die Lupe nimmt. »Wir untersuchen diese Firmen, stellen den Betreibern Fragen und werden alles tun, um sicherzustellen, dass nicht zugelassene Arzneimittel nicht nach Großbritannien kommen«, so ein MHRA-Sprecher gegenüber der PZ in London.
Und: »Arzneimittel aus dem Internet sind unserer Meinung nach ein großes Problem!« Diese deutlichen und auffällig kritischen Äußerungen deuten nach Meinung gesundheitspolitischer Beobachter im Königreich darauf hin, dass sich bei den Überwachungs- und Zulassungsbehörden möglicherweise ein Sinneswandel in Sachen Arzneimittel und Internet vollziehe. Bislang fand das Thema bei den britischen Zulassungsbehörden eher geringe
Aufmerksamkeit. Vielmehr herrschte die Meinung vor, dass »mehr Marktwirtschaft willkommen« sei.
Doch immer wieder sorgen Arzneimittel-Skandale, bei denen Patienten Medikamente über das Internet bestellen, die sich dann als entweder gesundheitsschädlich oder zumindest wirkungslos erweisen, für negative Schlagzeilen. Britische
Ärzte können ein Lied davon singen. In ihre Sprechstunden kommen immer wieder Patienten, die mit den im Internet bezogenen Medikamenten Probleme haben.
Apotheker berichten ebenfalls regelmäßig von Patienten, die mit ihren Internet-Einkäufen in die Offizin kommen, um sich dort fachkundigen Rat zu holen.
Ende August hatte der Internetdienstleister »MarkMonitor« eine aktuelle Untersuchung zum Thema Online-Arzneimittel vorgelegt. Es wurden weltweit 3160 Online-Apotheken untersucht. 506 dieser Apotheken operierten laut »MarkMonitor« über britische Server. Damit sei nahezu jede fünfte Online-Apotheke britisch oder habe zumindest »eine starke britische Komponente«. Lediglich die USA wiesen mit einem Anteil von 59 Prozent derzeit noch mehr Online-Apotheken auf.
Die meisten sind kriminellAllgemein sind die Ergebnisse von »MarkMonitor« erschreckend. Von den untersuchten Versendern legt jeder Zehnte auch bei rezeptpflichtigen Medikamenten keinen gesteigerten Wert auf eine ärztliche Verordnung. Mehr als die Hälfte schützen nicht einmal die Kundendaten. Sie werden unverschlüsselt über das Netz versendet. Der überwiegende Teil der Internetapotheken werde von Kriminellen betrieben, so das Fazit der Studienautoren.
Die britischen Arzneimittelbehörden sind ebenso wie gesundheitspolitisch aktive Berufsverbände besorgt. Allen voran die britische Apothekerschaft. »Im Internet gekaufte Arzneimittel gefährden die Arzneimittelsicherheit«, so eine Sprecherin des Apothekerverbandes (Royal Pharmaceutical Society of Great Britain, RPSGB).
Die RPSGB kündigte für 2008 neue und verschärfte Bestimmungen an, wonach es keiner Apotheke in Großbritannien erlaubt sein wird, ausschließlich im Internet präsent zu sein und nicht auch mit einem Ladenlokal. Außerdem müssen alle Online-Apotheken von der RPSGB zugelassen und deren Betreiber RPSGB-Mitglied sein. Online-Apotheken sollen ab 2008 verpflichtet werden, das RPSGB-Logo auf der Website zu zeigen. Dies gilt nur für in Großbritannien registrierte Versender. Die Arzneimittelbehörden unterstützen die Initiativen.
Der britische
Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (Association of British Pharmaceutical Industry, ABPI) schätzt, dass dem britischen Pharmasektor jährlich ein Schaden »in mehrstelliger Millionenhöhe« entstehe, weil immer mehr Patienten die Verschreibungspflicht umgehen. Immer wieder erweisen sich so bestellte Arzneimittel als als gesundheitsgefährlich. Auch sei zu befürchten, dass mit jeder Meldung über gesundheitsschädliche Medikamente »das Vertrauen der Patienten in die Arzneimittelsicherheit untergraben« werde, so ein ABPI-Sprecher.