Die Frage, ob Kaffee oder Tee getrunken wird, ist für die meisten passionierten Trinker des einen wie des anderen Getränks fast schon eine Glaubensfrage. Obwohl rein wissenschaftlich betrachtet auch das Teein im Tee eine aufputschende Wirkung hat, wird diese im Tee doch kaum gesucht. Genuss, Erholung, Beruhigung sind eher Stichworte, die mit Tee in Verbindung gebracht werden.
Bei Kaffee dagegen gibt es kaum jemanden, der ihm eine vielleicht nicht gerade aufputschende, aber doch zumindest aufmunternde Wirkung abspricht. Somit ist der Teetrinker in den Augen des passionierten Kaffeetrinkers ein eher langweiliger Geselle, der sich eine Decke über die Knie legt, in den Schaukelstuhl setzt und zur edlen Tasse Tee lieber ein gutes Buch liest, während der Kaffeetrinker mitten im prallen Leben genüsslich seine „Softdroge“ süffelt und seine Sucht mit möglichst vielen anderen öffentlich zelebriert.
Auf der anderen Seite betrachten echte Teetrinker die Kaffeejunkies als das, was sie auch selber möglicherweise sind: Als „Süchtige“, zumindest aber als Genusssüchtige. Der Kaffeetrinker ist in den Augen des Teegenießers schnelllebig. Ein Espresso lässt sich auch einmal im Vorbeigehen hinunterstürzen und bringt den Kaffeetrinker doch auf Touren. Tee will genossen sein und genau das will der Teetrinker auch.
Was dem Kaffeetrinker der lärmende Gedankenaustausch bei einer morgendlichen Tasse Cappuccino an der Bar ist, das ist dem Teetrinker die ruhige Zeremonie des Wasserkochens, des Aufgießens, des Duftgenießens, des ersten winzigen Schlucks, der aromatisch heiß die Kehle hinunter rinnt. Man könnte sagen, der Kaffeetrinker ist Ausdruck unserer Zeit, der Teetrinker ein selbstgewählter Anachronismus.
Aber genug der Abgrenzungsgefechte, des gegenseitigen in eine Schubladesteckens. Natürlich haben Kaffee- und Teetrinker auch vieles gemeinsam. Zuallererst und am Wichtigsten: Genießer sind beide. Das genüssliche „Ahhhh!“ nach dem ersten Schluck ist beiden gemeinsam, ebenso wie das Zeremonielle in den Handlungsweisen beider Parteien. Lässt man sich das Zubereiten seines Espressos oder Cappuccinos nicht von der Maschine Abnehmen, sondern befüllt eigenhändig die Espressomaschine, stellt sie auf den Herd, schäumt gegebenenfalls Milch, so ist das alles durchaus mit einer Teezeremonie zu vergleichen. Und es gibt ja auf der anderen Seite auch den Teebeutel-Teetrinker, so wie es Menschen geben soll, die Instantkaffee tatsächlich für Kaffee halten.
Langer Rede kurzer Sinn, egal ob Kaffee oder Tee, es kommt darauf an, was man daraus macht. Gehört man zur Masse gesichtsloser Konsumenten oder ist man ein Genießer auf der ganzen Linie? Kann man letzteres von sich behaupten, so ist es egal ob man seine Genussfähigkeit mit schwarzbraunen Bohnen oder grünschwarzen Blättern lebt. Und im Vertrauen gesagt, es gibt sogar Menschen, die können beides genießen – jedes zu seiner Zeit und Gelegenheit.