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Sterbehilfe – Zwischen Autonomie und Lebensverantwortung

by joe
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Sterbehilfe

Es gibt tagespolitische Themen, die habe nur in begrenztem Ausmaß Einfluss auf den normalen Bürger. Dann gibt es wiederum Themen, welche die Gesellschaft mit ihren Begleiterscheinungen beeinflussen. Doch kaum ein Thema, welches in letzter Zeit kritisch diskutiert wird ist so kontrovers wie die Debatte um die Legalisierung der Sterbehilfe.

Vor ein paar Wochen erst wurde in Belgien über ein Gesetz abgestimmt, welches die Sterbehilfe an Kindern regeln soll. Doch auch an anderen Stellen ist das Thema brisant, denn es spaltet Europa. Während Länder wie Belgien, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz die Sterbehilfe umfassend legalisiert haben, ist das in Deutschland noch nicht der Fall. Auch unser Nachbarland Österreich bestraft die „Beihilfe zum Suizid“ mit Höchststrafen von bis zu 5 Jahren. Doch ist es damit getan? Kann man jemanden bestrafen, der einem anderen Menschen den Ausweg aus einer praktisch ausweglosen Situation ermöglicht?

Um zu verstehen worum es sich bei der Sterbehilfe handelt, nur ein paar Sätze dazu. Das Wort selbst beschreibt es eigentlich am Besten. Die Hilfe zum Sterben. Diese kommt vor Allem dann zum Einsatz, wenn ein Mensch entweder physisch nicht mehr in der Lage ist zu sterben, er beispielsweise im Koma liegt, oder man im Zuge einer unheilbaren Krankheit solche Schmerzen erleidet, dass einzig und allein der Tod diesen ein Ende setzen würde. Dann gibt es Medikamente, die diesen Möglichst quallos und ohne Schmerzen herbeiführen können.

Bei dieser ganzen Debatte um die Legalisierung der Sterbehilfe müssen wir uns jedoch klar machen, dass dieser Schritt endgültig ist. Hat man die Sterbehilfe als Patient einmal in Anspruch genommen, so gibt es kein zurück mehr – man ist tot. Dabei ist es völlig egal, ob übermorgen ein Medikament auf den Markt kommt, welches diesem Menschen ein Leiden oder womöglich sogar ein Sterben aufgrund der spezifischen Krankheit erspart hätte.

Die Möglichkeiten der stetig fortschreitenden Wissenschaft wird dann ignoriert. Ich bin der festen Überzeugung, dass noch kein Arzt ihnen jemals eine hunderprozentige Diagnose gegeben hat – und das ist auch gut so. Denn welcher Mediziner kann mit absoluter Gewissheit von sich behaupten, dass er keine Fehler macht? Wir sind Menschen und Menschen machen Fehler. Deshalb kann es sein, dass ein Kollege ganz andere Diagnosen stellen würde. Stützt man sich aber auf diesen Befund des vertrauten Arztes und nimmt man die Sterbehilfe in Anspruch, so kann es sein, dass man etwas was irreversibel ist, was aber vermeidbar gewesen wäre.

Das Ganze muss jedoch auch von einer anderen Seite, der moralischen Seite, betrachtet werden. Auf naturwissenschaftlicher Ebene lässt sich sagen, unsere Eltern haben uns das Leben geschenkt. Doch auch deren Eltern wurde dieses geschenkt, das heißt, alles hat irgendwo seinen Ursprung. Nach abendländischer Tradition bietet diesen Ursprung Gott, für die Muslime ist es Allah, doch für fast jeden Menschen gibt es irgendeine höhere Macht, die der Grund unser aller Leben, unser Schöpfer, ist. Wie also kann sich die Gesellschaft das Recht rausnehmen, über etwas zu verfügen, was ihr doch gar nicht zusteht, über Leben und Tod zu entscheiden? Ist das nicht anmaßend?

Sollte Sterbehilfe jedoch legalisiert werden, so muss man sich überlegen, wer diesen Schritt ausführt. Eigentlich ist das doch eindeutig. Nur ausgebildetes Fachpersonal mit der Kenntnis, möglichst ohne Schmerzen den schnellen Tod herbeiführen zu können, kommt auch für die Ausführung der Sterbehilfe in Frage. Dieses Fachpersonal können nur Ärztinnen und Ärzte sein. Doch was tut ein Mediziner, bevor er seiner Profession nachgeht? Ähnlich einem Beamten der auf die Verfassung schwört, schwört er einen Eid, einen hippokratischen Eid, der ihn mit seinem Gewissen moralisch bindet, alles erdenkliche in seiner Macht stehende zu tun um Leben zu verlängern, nicht um Leben zu verkürzen. Wie also kann man so einem Menschen zumuten Sterbehilfe zu leisten, etwas zu tun, was er doch gar nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann?

Doch es geht noch weiter: Würde eine Legalisierung der Sterbehilfe nicht zu einem generellen Misstrauen zwischen dem Arzt und seinem Patienten führen? Dem Patienten der mit der Vorstellung in die Arztpraxis geht, dass dort sein Leben verlängert, nicht verkürzt wird? Zwischen eine seit Jahrhunderten währende Vertrauensbasis kann durch eine Legalisierung ein Keil geschoben werden.

Bei der ganzen Frage um die Legalisierung der Sterbehilfe muss man sich jedoch vor Augen führen, dass diese am runden Tisch geführt wird. Die Mehrzahl derer, die über Gesetzesentwürfe abstimmt kann sich bester Gesundheit erfreuen. Die Verantwortlichen können sich also gar nicht in die Lage eines Menschen versetzen, der aufgrund seiner Leiden nur noch sterben möchte. Jeder Mensch kommt mit einer gewissen Lebensfreude, einem Lebensdurst auf die Welt. Erleidet man dann im Laufe einer Krankheit jedoch solche Schmerzen, dass einzig und allein der Tod diesen eine Ende setzt, so muss dieser Patient in seiner Entscheidung unterstützt werden.

Das Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie ist eines der höchsten und wichtigsten Gesetze unserer Gesellschaft. Es geht einher mit dem Recht auf Freiheit, welches in den Grund- und Menschenrechten verankert ist. Endet die Selbstbestimmung mit dem Tod? Das tut sie definitiv nicht, man ziehe als Beispiel das Testament heran. Also darf die Selbstbestimmung auch nicht an diesem Punkt enden, wo sich jemand – aus guten Gründen – für den Tod entscheidet. Die Gesellschaft muss diesen Menschen unterstützen, denn niemand darf zum Leben gezwungen werden.

Einen Hilferuf an die Öffentlichkeit starteten im März 2007 mehr als 2.000 französische Ärztinnen und Ärzte. Im Zuge diverser Demonstration gaben sie zu, schon Sterbehilfe geleistet zu haben. Auch wenn diese zum damaligen Zeitpunkt nicht legal war. Diese Zahlen sind erschreckend, doch sie offenbaren die wahre Dunkelziffer der schon geleisteten Sterbehilfe. Dies zeigt, dass auch das Fachpersonal in manchen Fällen nicht wegschauen kann und den Tod als einzig verbleibende Lösung sieht, um der Überzeugung nachzukommen, dem Menschen zu helfen. Es zeigt auch, dass eine Legalisierung nur das rechtens machen würde, was ohnehin schon getan wird, vielen Menschen jedoch ihre Entscheidung erleichtern würde.

Es gibt gute Gründe warum man Sterbehilfe nicht legalisieren soll, aber auch warum man dies tun sollte. Die momentane Lage in Deutschland ist jedoch denkbar schlecht. Noch immer mangelt es an Gesetzen, die die Sterbehilfe eindeutig regeln. Doch das wäre nötig, um einen klaren rechtlichen Rahmen zu schaffen. Deshalb muss die Debatte weiterhin so aktiv geführt werden. Denn nur wenn Pro und Contra genau besprochen sind, wird man zu einer Lösung kommen, die den freiheitlich-demokratischen Gedanken und die Verantwortung gegenüber dem Leben vereinbaren.

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