Menschen mit der Borderline-Störung, einer Erkrankung, die unter anderem durch schwankende Stimmung gekennzeichnet ist, haben oft größte Schwierigkeiten, menschliche Beziehungen aufrecht zu erhalten. Eine neue Forschung von der Universität Georgia weist nun nach, dass dies möglicherweise mit geringerer Aktivität in den Gehirnarealen zu tun hat, die Empathie, also Mitgefühl und Einfühlungsvermögen für andere steuern.
Brian Haas, Dozent an der psychologischen Fakultät des Franklin College für Kunst und Wissenschaft, leitender Autor der Studie, berichtet: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich Menschen mit den Zügen von Borderline-Syndrom in den für Empathie zuständigen Gehirnarealen weniger Aktivität nachweisen lässt.“ „Diese verminderte Aktivität legt nahe, dass es Borderlinern generell schwerer als anderen fällt, die Gefühle anderer zu verstehen oder einzuschätzen.“
Zum Zweck der Studie rekrutierte Haas über 80 Probanden und bat sie, einen Fragebogen auszufüllen, der das „Fünf-Punkte-Borderline-Inventar“ genannt wird. Damit soll der Grad bestimmt werden, in dem das Borderline-Syndrom jeweils vorliegt. Die Wissenschaftler nutzten zusätzlich ein funktionales Magnet-Resonanz-System zur Abbildung und Messung der Gehirnaktivität bei den Testpersonen. Während der Messung wurden die Teilnehmer gebeten, eine Empathie erfordernde Aufgabe zu erfüllen, die von ihnen die Fähigkeit erforderte, sich in die Gefühlswelt anderer Menschen hineinzudenken.
Bei der Aufgabe sollten die Testpersonen den jeweiligen Gesichtsausdruck einer Situation und einem Kontext zuordnen. Zur Kontrolle wurden den Teilnehmern auch Bilder von geometrischen Formen vorgelegt, die ebenfalls zuzuordnen waren.
Den Testpersonen mit Borderline Syndrom fielen die Aufgaben unverhältnismäßig schwerer als den Teilnehmern in der Kontrollgruppe.
Haas wählte besonders die Probanden aus, die nach dem Fragebogen relativ hohe Punktzahlen erreicht hatten, anstatt nur mit denen zu arbeiten, die früher die Diagnose „Borderline“ erhalten hatten. Durch die Anwendung des Fragebogens war Haas in der Lage, den Zusammenhang zwischen Empathie, Borderline-Symptomen, neurotischen Zügen, Offenheit, Unzugänglichkeit und bewusster Wahrnehmung besser zu erkennen.
„Häufig wird die Borderline-Persönlichkeit als Phänomen mit nur zwei Möglichkeiten betrachtet: Entweder man hat sie oder man hat sie nicht, berichtet Haas, der auch ein Verhaltensforschungsinstitut betreibt. „In unserer Studie konnten wir sehr viel differenzierter vorgehen und unterschiedliche Grade und Ausprägungen erkennen.“
Haas fand einen Zusammenhang zwischen Patienten mit ausgeprägten Zügen der Borderline-Persönlichkeit und einer sehr niedrigen Neural-Aktivität in zwei Regionen des Gehirns: Der Tempororietalen Kreuzung und des Oberen Temporalen Sulkus – beide sollen vor allem Empathie-Prozesse steuern.
„Die Borderline-Persönlichkeit gilt als eine der schwersten und am stärksten belastenden Persönlichkeits-Störungen“, so ein Kollege von Haas. „Borderliner haben es schwer, Freundschaften und Liebesbeziehungen aufrecht zu erhalten. Die vorliegenden Forschungsergebnisse erklären, warum das so ist.“
In der Zukunft möchte Haas das Borderline-Phänomen unter möglichst realistischen Gegebenheiten erneut untersuchen und sagt dazu „In der vorliegenden Studie wählten wir vor allem Patienten, die sehr stark ausgeprägte Züge der Borderline-Persönlichkeit aufwiesen. Ich glaube, wir sollten die Störung auch in realen Lebenssituationen untersuchen, wenn beispielsweise Borderliner versuchen, sich in ihre Lebenspartner hineinzudenken.“