Biophosponate sind eine Gruppe von Medikamenten, die Knochenbrüche bei Frauen mit Osteoporose verhindern helfen sollen. Nun geraten die Präparate in den Verdacht, das Risiko atypischer Frakturen im Hüftbereich noch zu verstärken. In der Doktorarbeit von Javier Gorricho-Mendívil, einem Studenten der Pharmazie, vorgestellt an der Universität von Navarra, Spanen, wurde diese Beobachtung dokumentiert.
Der Autor regt dazu an, andere präventive Maßnahmen gegen Osteoporose-Folgen zu fördern. Dazu gehören ein Anti-Sturztraining und ein aktiver Lebensstil, um die Knochendichte und die allgemeine Gesundheit auf Stand zu halten. Der Titel seiner Arbeit: „Effektivität oraler Biphosphonat-Einnahme zur Prävention von Hüftfrakturen bei Frauen über 65 in der klinischen Praxis“.
„Hüft-Frakturen sind die häufigsten Gründe für eine Einlieferung ins Krankenhaus“, berichtet Javier Gorricho. „Diese Frakturen führen zu einer hohen Mortalitätsrate und ihre Folgen verringern nicht nur die Lebensqualität, sie belasten auch das Gesundheitssystem mit enormen Kosten“.
In der Europäischen Union wurden 2010 geschätzte 620.000 Hüftfrakturen behandelt, die Kosten aus osteoporose-bedingten Knochenbrüchen belaufen sich auf über 37 Milliarden Euro. Die meisten Frakturen bei Menschen über 65 treffen Frauen. Im Einklang mit einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft ergeben sich daraus zahlreiche Probleme. Die typische Patienten ist über 80, bei den über 85jährigen tritt eine Hüftfraktur bei etwa 20% ein. Um diese komplizierte Art von Knochenbrüchen bei Frauen mit Osteoporose zu verhindern, setzt man im Allgemeinen orale Gaben von Biphosphonaten ein, in Form von Präparate wie Alendronat, Risedronat und Ibandronat.
Diese Medikamente haben immer wieder bewiesen, dass sie die Knochenmineral-Dichte verbessern und das Risiko vertebraler Frakturen reduzieren helfen. Doch als man klinische Tests mit einer Kontrollgruppe ausführte, die ein Placebo einnahm, ergab sich ein anderes Bild: Das Risiko eines Hüftbruches verringerte sich unter Einfluss des Medikaments nicht wie erwartet. In vergangenen Jahren gaben Arzneimittelbehörden unter anderem in Europa, Amerika und Spanien, mehrere Warnungen heraus.
Es bestünde eine Korrelation zwischen der Anwendung dieser Präparate und diversen Problemen bei der Knochenregeneration. Osteonekrose im Kieferknochen und atypische Hüftfrakturen häuften sich. In der neuesten Warnmeldung wurden Ärzte gebeten, nach fünf Jahren der Einnahme von Biophosphonaten eine Kontrolle durchzuführen, ob die Medikation weiter bestehen sollte oder nicht.
Studien an Patienten mit atypischen Hüftfrakturen wurden in Nordamerika und Skandinavien durchgeführt, doch bislang gab es noch keine Daten aus Südeuropa.
Diese Lücke füllte der Doktorand nun. ER nutzte unter anderem die Datenbanken für pharmako-epidemologische Forschung in Primärer Gesundheitsvorsorge (BIFAP) mit über 4,8 Millionen klinischen Einträgen der Nationalen Gesundheitsfürsorge in Spanien. Diese Datensammlung wird von über 18000 Ärzten bedient, was bedeutet, dass jährlich Beobachtungen zu 25 Millionen Patienten eingetragen werden.
Diese Form der Langzeit-Aufzeichnung startete im Jahr 2001. Sie umfasst Informationen aus der ärztlichen Praxis, die anonym eingegeben wird, so dass Forscher die Patienten nicht individuell identifizieren können und ist damit streng vertraulich. Die Spanische Agentur für Medikamente und Gesundheitspflege-Produkte (AEMPS) soll mit dieser Datenbank die Möglichkeit bekommen, Studien wie die vorliegende durchzuführen. Sie wird von den autonomen Gemeinden (Regionen) unterstützt und ist den wichtigsten wissenschaftlichen Institutionen im Lande zugänglich.
Gorrichos Studie, die vom Spanischen Gesundheitsministerium im Jahr 2009 befürwortet wurde, untersuchte Frauen über 65 im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2008. Javier Garricho identifizierte 2009 Frauen mit typischen Hüftfrakturen und 44 mit atypischen Brüchen. Das Durchschnittsalter betrug 82 Jahre.
Eine der Schlussfolgerungen der Doktorarbeit: Garricho betont, dass die Anwendung von oralen Biphosphonaten nicht mit einer Reduktion von Hüftfrakturen bei Frauen über 65 in Zusammenhang gebracht werden konnte. Vielmehr schien ein Zusammenhang zu bestehen zwischen der Einnahme und atypischen Hüftfrakturen – subtrochantischen (körpernah am Oberschenkelhalsknochen) oder diaphysalen Frakturen. Dieses Risiko stieg, je länger die Biphosponate verabreicht wurden.
Diese Entdeckung ist neuartig und stellt erstmals einen Zusammenhang zwischen atypischen Oberschenkelhalsfrakturen und der Einnahme von Biophosphonaten her.
Das Durchschnittsalter bei den Hüft/Oberschenkelhalsfrakturen (82) und das Fehlen eines Zusammenhanges zwischen der Medikamenteneinnahme und einem gesenkten Fraktur-Risiko zeigt an, dass weitere Forschungen in diesem Bereich notwendig sind. Bei Personen zwischen 75 und 80 Jahren sollte die Effektivität der Medikamente überprüft werden.
Ebenso wichtig ist es für die Prävention, andere Maßnahmen zu fördern. Dazu gehören etwa ein Anti-Sturztraining und die Ermutigung zu Bewegung und einem aktiven Lebensstil. Dies trägt zu mehr Knochendichte und –stabilität und damit letztlich zu einer Erhaltung der Lebensqualität bei.