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Psychische Funktionsstörungen verantwortlich für viele Rückfälle bei Straftätern

by joe

In der bekannten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet, in der Edition für Psychiatrie, wurde nun eine aktuelle Studie veröffentlicht. Darin wird dokumentiert, dass Straftäter, die an einer Reihe psychiatrischer Funktionsstörungen leiden, mit größerer Wahrscheinlichkeit nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis gewalttätig werden als psychisch gesunde Personen: Der Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Rückfälligkeit bei Gewaltverbrechen ist offensichtlich.

Nach dem Inhalt des Berichts nehmen Gewaltverbrechen in vielen Ländern zu, während Rückfälle bei Straftätern, insbesondere in Ländern mit mittleren und hohen Einkommen, gleich hoch bleibt. Mehr als 33% der Ex-Gefängnisinsassen in den USA und Großbritannien wurden innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Entlassung erneut verurteilt – mehr als 50% innerhalb von fünf Jahren. In den USA ergehen sogar etwa 70% aller Verurteilungen an rückfällig gewordene Straftäter.

Für die Studie verfolgte man knapp 48.000 Strafgefangene in Schweden, Männer und Frauen, die nach dem 1. Januar 2001 verurteilt und vor dem 31. Dezember 2009 wieder entlassen worden waren. Etwa 20% der rückfälligen Straftäter bei den Männern und 40% bei den Frauen litten unter psychischen Erkrankungen.

Die Studienergebnisse werden sich auf die Fürsorge und die Unterstützung von Gefängnisinsassen vor und nach deren Entlassung auswirken, sowohl bei der Rehabilitation als auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit.

Psychiatrische Befunde, die gehäuft bei Straftätern auftreten, sind beispielsweise Schizophrenie, bipolare Störungen, adhs (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom), eine Reihe von Persönlichkeitsstörungen und Drogenmissbrauch. Im Gegensatz zu früheren Studienergebnissen wurde Drogenmissbrauch hier nicht als Hauptursache für Gewaltverbrechen angeführt. Sieht man es im Kontext mit anderen Störungen, steigert es die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Gewaltverbrechens.

Überdies trat zu Tage: Je mehr Störungen ein Individuum betreffen, desto wahrscheinlicher seine Gewaltbereitschaft. Der Studie zu Folge liegen bei etwa 15% aller Straftäter in den USA schwere mentale Erkrankungen vor – damit befinden sich zehn Mal mehr geisteskranke Menschen in Gefängnissen als in psychiatrischen Einrichtungen.

Das Wissenschaftlerteam, das die Studie durchführte, bestand aus Experten aus Schweden und Großbritannien. Schwedische Zensusdaten und andere Statistiken dienten als Vergleichsquelle. In Schweden haben alle Einwohner eine persönliche Kennung – das gestattet Vergleiche zwischen unterschiedlichen Registrierungen, etwa der für Verbrechen und der für medizinische Behandlungen. So lassen sich bestimmte Lebenswege exakt verfolgen.

Von den in der Studie untersuchten straffällig gewordenen Personen litten etwa 42% der Männer und 60% der Frauen an einer Art psychischer Erkrankung, bevor sie aus dem Gefängnis entlassen wurden. 25% aller Männer und 11% aller Frauen wurden rückfällig und begingen innerhalb von durchschnittlich 3,2 Jahren nach ihrer Entlassung erneut eine gewalttätige kriminelle Handlung, völlig unabhängig von Familienstand, sozialer oder wirtschaftlicher Situation.

Unter den Strafvollzugsentlassenen wurden Männer mit einer diagnostizierten psychischen Erkrankung durchschnittlich 2,4 Monate eher wieder rückfällig als mental gesunde Personen, unter den Frauen verstrichen im Durchschnitt 4,8 Monate weniger bis zu einer erneuten Straftat.

Im Verhältnis litten mehr weibliche Gefängnisinsassen an mentalen Erkrankungen als Männer, dafür scheinen Frauen insgesamt weniger gewaltbereit zu sein als Männer.

Vor diesem Hintergrund plädiert Studienleiterin Seena Fazel, Professorin für Forensische Psychiatrie an der Universität Oxford, UK, für eine verbesserte Diagnose, Behandlung und Betreuung bei Strafgefangenen mit mentalen Störungen. Nach ihrer Entlassung sollten sie ebenfalls verstärkt überwacht werden, insbesondere da viele der mentalen Erkrankungen gut bekannt und in vielen Fällen auch gut behandelbar sind.

In einem Kommentar, der im Zusammenhang mit der Studie erstellt wurde, empfiehlt Professor Louis Appleby, Nationaler Direktor für Gesundheitswesen und Strafjustiz und Professor für Psychiatrie an der Universität Manchester, UK, auch gegen unzulängliche Wohn- und Lebensverhältnisse und Arbeitslosigkeit verstärkt vorzugehen.

Professor Appleby drückt auch seine Besorgnis darüber aus, dass die neuen Informationen Arbeit zunichtemachen, die bislang die Akzeptanz der Öffentlichkeit für mentale Erkrankungen verbessert und die Gefahr einer Stigmatisierung abgebaut hatte. Professor Appleby befürchtet, dass die aktuelle Studie Ängste vor und Diskriminierung von psychisch Kranken erneut verstärken könnte.

Weltweit befinden sich mehr als 10 Millionen Menschen in Gefängnissen. In vielen Ländern leiden Gefängnisse wie Gesundheitswesen unter finanziellen Engpässen. Die Kosten für eine besondere Unterstützung psychisch kranker Straftäter sind immens, könnten sich im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der individuellen, nachhaltigen Rehabilitation von Straftätern auf lange Sicht sowohl in humanitärer als auch in finanzieller Hinsicht lohnen.

 

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