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Bei Human-Biomonitoring (HBM) handelt es sich um ein Instrument zur Beobachtung der Umwelt, um Gesundheitsrisiken für den Menschen abzuschätzen. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht die chemische Analyse von Körpergeweben und -flüssigkeiten auf die Belastung mit Schadstoffen und deren Abbauprodukten.
So wird beispielsweise analysiert wie viel Quecksilber oder Blei im Blut von Einzelpersonen oder Bevölkerungsgruppen vorhanden ist. Auf diese Weise können belastete Bevölkerungsgruppen, Einzelbelastungen und regionale Unterschiede identifiziert werden.
Die europäische Gesundheits- und Biopolitik schreibt diesem Werkzeug daher bei der Bestimmung der individuellen Schadstoffbelastung und den dadurch ausgelösten Wirkungen eine große Bedeutung zu.
Arten von Human-Biomonitoring:
Inhaltsverzeichnis
- Belastungsmonitoring
- Effektmonitoring
Unter ersterem versteht man die ein- oder mehrmalige Bestimmung der Konzentration von Stoffen beziehungsweise deren Stoffwechselprodukten in menschlichen Materialen wie z.B. Blut, Serum, Harn, Speichel, Haaren, Muttermilch, Zähnen, Ausatmungsluft, Organproben, etc.
Letzteres hingegen dient zur Erhebung von Messdaten, die Belastungen durch physikalische, chemische
und biologische Umweltfaktoren und deren Wirkung auf den menschlichen Körper widerspiegeln.
Diese sogenannten Wirkungsparameter lassen sich aber nur in Abhängigkeit von der entsprechenden Schadstoffbelastung interpretieren.
Die Untersuchung der Probematerialien erfolgt losgelöst von der Testperson. Das Human-Biomonitoring unterscheidet sich somit grundlegend von anderen Verfahren der Umweltmedizin wie z.B. der Lungenfunktionsprüfung.
Voraussetzungen
Bei der Auswahl der Proben gilt es einiges zu beachten. Da die Proben in der Regel von lebenden Menschen gewonnen werden, muss die Entnahme auf freiwilliger Basis erfolgen und den Betroffenen zumutbar sein.
Daher stehen zur Untersuchung nur leicht verfügbare Materialien zur Verfügung, keine Gewebeproben. Dabei ist auf einen sachgerechten Ablauf der Prozesse Entnahme, Lagerung und Transport zu achten.
Ebenfalls sollte die Verfügbarkeit zuverlässiger Analyseverfahren gewährleistet sein. Human-Biomonitoring-Untersuchungen sind nur bei Stoffen und Einflussfaktoren erlaubt, die zu messbaren Konzentrations- und Funktionsänderungen im Organismus führen. Spezifizität, Sensitivität und Reproduzierbarkeit der Verfahren müssen gewährleistet sein.
Die Untersuchung erfolgt in entsprechend qualifizierten Laboratorien durch Spezialisten. Die Ergebnisse der Untersuchungen unterliegen dem Datenschutz, ethische Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen.
Vorteile und Anwendungsbereiche
Die Vorteile des Human-Biomonitoring sind vielfältig. Im Gegensatz zum Umwelt-Monitoring, der systematischen Messung der Stoffkonzentration in der Umwelt z.B. in Wasser, im Boden oder der Luft, ermöglicht dieses Analyseverfahren die Abschätzung der individuellen Schadstoffbelastung sowie der daraus folgenden Wirkungen.
Erfasst wird die tatsächliche innere Belastung des Organismus mit Schadstoffen, die über unterschiedliche Wege wie z.B. Atem, Mund oder Haut aufgenommen worden sind.
Das Human-Biomonitoring bietet somit eine besser geeignete Grundlage zur Beurteilung der individuellen Belastung und des individuellen Gesundheitsrisikos. Darüber hinaus spiegeln die gewonnenen Messdaten individuelle Unterschiede hinsichtlich von Aufnahmemenge, Stoffwechsel, Zellresorption und Ausscheidung wider.
Im Wesentlichen lassen sich drei Anwendungsbereiche unterscheiden. Das Verfahren Human-Biomonitoring ermöglicht:
- die gezielte Untersuchung einzelner Personen, die einer Belastung durch chemische, physikalische und biologische Einflussfaktoren ausgesetzt sind
- die Erfassung der inneren Schadstoffbelastung sowohl von Einzelpersonen als auch ganzen Bevölkerungsgruppen im Rahmen von wissenschaftlichen Studien
- die frühzeitige Erkennung von Entwicklungstrends hinsichtlich der Schadstoffbelastung
Somit stellt das Human-Biomonitoring einen wertvollen neuen Untersuchungsansatz ergänzend zu anderen Monitoring-Verfahren dar. Aus der Kombination der verschiedenen Messverfahren ergibt sich ein genaueres Bild der Schadstoffbelastung und ihrer Auswirkungen auf den menschlichen Körper.
Gesundheits- und biopolitische Aspekte
Die europäische Umwelt- und Gesundheitspolitik setzt große Hoffnungen auf dieses Analyseverfahren. Mehrere europäische Länder haben HBM-Studien in Auftrag gegeben. Diese behandelten jedoch jeweils unterschiedliche Fragestellungen. Außerdem waren die angewandten Verfahren nicht einheitlich und die gewonnenen Daten daher nicht miteinander vergleichbar.
Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission im Jahr 2004 einen Aktionsplan verabschiedet. Ein koordiniertes gemeinsames Vorgehen zum Human-Biomonitoring wurde darin als konkretes Ziel der europäischen Gesundheits- und Biopolitik benannt.
Im Frühjahr 2005 wurde die Beratungskommission „Implementation Group on HBM“ (IG – HBM) ins Leben gerufen, der Experten unterschiedlicher Disziplinen aus 17 Staaten der EU und Kroatien angehörten. Technische Unterstützung dafür lieferte das EU-Projekt ESBIO („Expert team to Support BIOmonitoring in Europe“).
In Zusammenarbeit entwickelten sie Vorgaben und Richtlinien, die als Rahmenwerk für die Realisierung eines HBM – Programms auf gesamteuropäischer Ebene dienen sollten. Zusätzlich war es Aufgabe der Implementation Group, die Kommunikation zwischen nationaler Politik und europäischer Kommission zu unterstützen. Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) war an beiden Arbeitsgruppen beteiligt.
COPHES und DEMOCOPHES
Ende 2009 übernahm das Konsortium COPHES die Weiterführung dieser Aufgabe. Dabei handelt es sich um eine Arbeitsgruppe, der 35 Forschungsteams aus 24 EU-Mitgliedsstaaten sowie aus Kroatien, Norwegen und der Schweiz angehörten.
Gemeinsam widmeten sie sich der Aufgabe, konkrete Anweisungen für die Durchführung von HBM – Studien in ganz Europa auszuarbeiten, die von den Mitgliedsstaaten übersetzt und an länderspezifische Gegebenheiten angepasst werden sollten.
Das Pilotprojekt DEMOCOPHES stellt einen weiteren Schritt in Richtung Harmonisierung dar. Im Rahmen dieser Pilotstudie wurden in 16 Mitgliedsstaaten jeweils 120 Kinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren und deren Mütter auf die Belastung mit verschiedenen Umweltschadstoffen untersucht.
Die Belastung des Schwermetalls Cadmium und des Nikotinabbauprodukts Cotinin wurde anhand von Urinproben gemessen. Darüber hinaus wurden die Stoffwechselabbauprodukte der Phthalate, der wichtigsten Weichmacher von Kunststoffen, bestimmt. Anhand einer Probe des Kopfhaars wurde zudem der Quecksilbergehalt ermittelt. Als Resultat kam es in der EU zum Verbot von Phthalaten.
Mittels von DEMOCOPHES konnten erste Erfahrungen zur Durchführung von HBM – Studien auf gesamteuropäischer Ebene in mehreren Ländern gesammelt werden. Dadurch wird die Durchführung einer komplexen europäischen
HBM – Studie vorbereitet. Eine solche Studie könnte dazu beitragen, umfassende politische Empfehlungen zur Verringerung der Umweltbelastung in Europa zu geben.
Dieses Pilotprojekt endete im November 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt testeten die beteiligten Länder die harmonisierten Arbeitsanweisungen und erarbeiteten eine EU-weite Implementierung des Human-Biomonitoring als Instrument des Umwelt- und Gesundheitsschutzes.
Auch an diesen beiden Projekten waren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Umweltbundesamtes beteiligt. Mit ihren mehr als 30-jährigen Erfahrungen im Bereich des bevölkerungsbezogenen Human-Biomonitorings leisteten sie einen entscheidenden Beitrag. Außerdem konnten sie ihre Erfahrungen in Bezug auf die Lagerung von Humanproben einbringen. Diese basierten auf dem Vorbild der Umweltprobenbank, einem zweiten umweltpolitischen Instrument zur Bewertung von Schadstoffbelastungen in Deutschland.
Das Projekt HBM4EU
Ende des vergangenen Jahres 2016 beschloss die EU-Kommission die Förderung des Projektes HBM4EU („European Human Biomonitoring Initiative“) mit über 74 Millionen Euro. Zentrales Ziel ist die Zusammenführung bereits vorhandener Daten und die Durchführung gemeinsamer EU-weiter Studien.
Es wird eine Angleichung der Datenlage in allen Mitgliedsstaaten angestrebt. Außerdem soll dadurch ein besseres Verständnis der gesundheitlichen Folgen der Schadstoffbelastung ermöglicht werden.
Die Leitung des Konsortiums hat das UBA inne. Beteiligt sind insgesamt 107 Partner aus 26 vorwiegend europäischen Ländern. Der Fokus liegt auf der Bildung eines gesamteuropäischen Netzwerks, wodurch die Wissens- und Faktenlage für die Umwelt- und Chemikalienpolitik der EU verbessert werden soll. Einen zentralen Beitrag dazu sollen die empirischen Daten und Ergebnisse der Studien liefern.
Auch das 7. EU-Umweltaktionsprogramm fordert ausdrücklich, beim Human-Biomonitoring in den nächsten Jahren koordiniert gemeinsam vorzugehen. Darüber hinaus ist für das Projekt die Einbeziehung von Stakeholdern geplant. Diese Beteiligung soll über ein Forum sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene erfolgen.
Die Präsidenten des deutschen Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, nahm an dem Zeichnungsevent in Brüssel teil. Unter anderem warb sie dafür, das Wissen über Quellen und Risiken chemischer Substanzen auf europäischer Ebene zu teilen. Dadurch sollen mögliche Gefährdungen frühzeitig identifiziert werden.
Einen Beitrag, den Deutschland dazu leistet, ist die deutsche Studie GerES. Dabei handelt es sich um die größte und umfassendste Studie zur Schadstoffbelastung der Bevölkerung in Deutschland und Europa. Auf dieser Basis lassen sich wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung in Deutschland und ganz Europa entwickeln.
Die europäische Politik hat erkannt, dass Human-Biomonitoring als Instrument der Gesundheits- und Umweltpolitik entscheidend bei der Vermeidung und Bekämpfung von Gesundheitsrisiken und Krankheiten ausgelöst durch Schadstoffe mitwirken kann.