Opioidanalgetika, die zur Behandlung chronischer Schmerzzustände verwendet werden, sind in der Tabelle unter diesem Text aufgeführt, wobei die analgetische Potenz einer Substanz auf die Wirksamkeit von Morphin bezogen ist. Zudem finden sich Angaben zur Wirkdauer konventioneller Darreichungsformen und solcher mit retardierter Wirkstofffreigabe, sowie Beispiele von Handelspräparaten.
Vergleich verschiedener Substanzen
Vergleich verschiedener Substanzen anhand der Potenz im Verrhältnis zum Morphin, der Wirkdauer in der normalen und Retardform unter Nennung beispielhafter Medikamentennamen
Morphin
Potenz*: 1
Wirkdauer: 2-4 Std.
Wirkdauer der Retardform: 8-24 Std.
Handelsname (Beispiel): z.B. MST Mundipharma
Codein
Potenz*: 0.1
Wirkdauer: 2-4 Std.
Handelsname (Beispiel): z.B. codi OPT
Dihydrocodein
Potenz*: 0,3
Wirkdauer: 2-4 Std.
Wirkdauer der Retardform: 8-12 Std.
Handelsname (Beispiel): DHC Mundipharma
Tramadol
Potenz*: 0,1
Wirkdauer: 2-4 Std.
Wirkdauer der Retardform: 6-8 Std.
Handelsname (Beispiel): z.B. Tramal long
Tilidin **
Potenz*: 0,1
Wirkdauer: 2-4 Std
Handelsname (Beispiel): Valoron N mit Naloxon
Pentazocin
Potenz*: 0,3
Wirkdauer: 2-4 Std.
Handelsname (Beispiel): Fortral
Hydromorphon
Potenz*: 7
Wirkdauer: 2-4 Std.
Handelsname (Beispiel): Dilaudid
Buprenorphln
Potenz*: 30
Wirkdauer: 6-8 Std.
Handelsname (Beispiel): Temgesic-Sublingualtabletten
L-Methadon ***
Potenz*: 3
Wirkdauer: 4-8 Std.
Handelsname (Beispiel): L-Polamidon
Fentanyl
Potenz*: 100
Wirkdauer: 1-3 Std
Wirkdauer der Retardform: 48-72 Std.
Handelsname (Beispiel): Durogesic-Pflaster
* Analgetische Potenz im Verhältnis zum Morphin = 1
** Werte gelten für Nortilldin,
*** Werte gelten bei wiederholten Methadongabe
Morphin ist die Leitsubstanz der Opioidanalgetika und besitzt eine herausragende Bedeutung in der Behandlung chronischer Schmerzen. Morphin ist in Darreichungsformen erhältlich, die bei nur einmaliger Einnahme eine ausreichende Schmerzdämpfung über den Zeitraum von 24 Stunden gewährleisten können.
Der Arzneistoff wird in der Leber an Glukuronsäure gekoppelt, womit aber nicht zwangsläufig ein Aktivitätsverlust verbunden ist, weil ein Metabolit – das Morphin-6-glukuronid – ebenso wie Morphin in der Lage ist, Opioidrezeptorenzu stimulieren. Bislang ist nicht geklärt, zu welchem Anteil sich die schmerzstillende Wirkung des Morphins auf das daraus entstehende Morphin-6-glukuronid zurückführen läßt.
Dagegen gilt die Bedeutung dieses Metaboliten für das vermehrte Auftreten von morphinartigen Nebenwirkungen nach Anwendung von Morphin bei Patienten mit unzureichender Nierenfunktion als gesichert. Unter diesen Bedingungen kommt es aufgrund der eingeschränkten Ausscheidung des Morphin-6-glukuronid zu stark erhöhten Blutspiegeln des wirksamen Metaboliten
Hydromorphon ist etwa 7fach stärker wirksam als Morphin und weist darüber hinaus eine bessere Wasserlöslichkeit auf. Aufgrund dieser Eigenschaften werden Lösungen von Hydromorphon vorzugsweise zur Befüllung von elektrisch betriebenen Pumpen verwandt, die eine gleichmäßige Abgabe des Opioids direkt unter die Haut oder in die Nähe des Rückenmarks erlauben.
Um die Zufuhr mit einer Pumpenfüllung über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten und die Patienten in ihrer Bewegungsfreiheit wenig einzuschränken, wird das Reservoir zur Aufbewahrung der Vorratslösung möglichst klein gehalten.
Codein selbst wirkt kaum schmerzstillend und muß im Körper erst zu Morphin umgewandelt werden. Beim Menschen werden etwa 10% der verabreichten Codeinmenge in Morphin überführt.
Zu einem ähnlich hohen Anteil wird auch aus Dihydrocodein die eigentliche Wirkform – das Dihydromorphin – gebildet. Die Wirkungsdauer des Dihydrocodein läßt sich durch Verwendung einer Retardform auf 8 bis 12 Stunden verlängern.
Tramadol vermittelt seinen schmerzdämpfenden Effekt nicht ausschließlich über Opioidrezeptoren. Es gibt Hinweise darauf, daß ein von Opioidrezeptoren unabhängiger Mechanismus zur Hemmung der Schmerzleitung im Rückenmark beiträgt.
Im Vergleich zu Morphin ist die Anwendung von Tramadol mit einem geringeren Nebenwirkungsrisiko verbunden, dafür aber ist die analgetische Wirksamkeit der Substanz auch schwächer ausgeprägt als jene von Morphin. Tramadol ist in Retardformen erhältlich, welche eine Verlängerung des Dosierungsintervalls auf 6 bis 8 Stunden ermöglichen
Tilidin ist in einer Kombination mit dem Morphinantagonisten Naloxon im Handel, um der mißbräuchlichen Verwendung vorzubeugen. Wird die Kombination geschluckt, durchlaufen Tilidin und Naloxon nach der Aufnahme aus dem Darm zunächst die Leber. Hier wird Tilidin zu Nortilidin – der eigentlichen Wirkform – umgewandelt und in den Körperkreislauf abgegeben, während Naloxon zu unwirksamen Abbauprodukten abgebaut wird.
Bei bestimmungsmäßigem Gebrauch sind nachteilige Auswirkungen auf den schmerzstillenden Effekt nicht zu befürchten, denn es steht kein Naloxon zur Verfügung, um das Opioidanalgetikum von seinen Rezeptoren zu verdrängen. Dagegen erfolgt bei mißbräuchlicher Anwendung eine direkte Injektion in den Blutkreislauf, um den erwünschten »Kick« durch rasche Zufuhr des Tilidins zu erzielen. Unter diesen Bedingungen würde das in der Kombination enthaltene Naloxon aber die Leber umgehen und bei Drogenabhängigen die Auslösung von Entzugserscheinungen herbeiführen.
Mit der Erkenntnis, daß der analgetische Effekt von Opioidanalgetika über µ und k-Rezeptoren vermittelt wird, während unerwünschte Wirkungen – z. B. Atemdepression oder Suchtpotential – vornehmlich mit der Aktivierung von µ- Rezeptoren in Zusammenhang gebracht werden, verband sich die Hoffnung, daß Opioide mit einem geeigneten Rezeptorprofil weniger Nebenwirkungen aufweisen könnten.
Pentazocin ist ein solcher Arzneistoff, welcher k-Rezeptoren (siehe zu Tilidin letzter Absatz) zu stimulieren vermag, während µ.-Rezeptoren nur schwach aktiviert werden.
Substanzen mit derartigen Eigenschaften erfüllten aber die in sie gesetzten Erwartungen nicht, weil sich zeigte, daß die Anwendung noch immer mit dem Risiko morphintypischer Nebenwirkungen behaftet ist und bei Verabreichung höherer Dosen zudem mit dem Auftreten von Angstzuständen und Halluzinationen gerechnet werden muß.
Buprenorphin weist den Vorteil einer vergleichsweise langen Wirkdauer von 6 bis 8 Stunden auf und ist potenter als Morphin, d.h. es sind geringere Mengen von Buprenorphin erforderlich, um vergleichbare Effekte hervorzurufen.
Allerdings ist mit Buprenorphin nicht dasselbe größtmögliche Ausmaß an Schmerzfreiheit erzielbar wie z. B. mit Morphin, so daß bei entsprechend hoher Schmerzintensität der Wechsel auf ein stärker wirksames Opioid erfolgen muß. Obwohl die Nebenwirkungen des Buprenorphin aufgrund der nach oben begrenzten Wirkstärke ebenfalls schwächer ausgeprägt sind, ist die Anwendung keineswegs unbedenklich: Im Falle einer Überdosierung kann es auch durch Buprenorphin zu einer lebensbedrohlichen Atemlähmung kommen.
Die Substanz wird in Form von Sublingual-Tabletten verabreicht, welche unter die Zunge gelegt werden. Dort lösen sich die Tabletten auf und der Wirkstoff gelangt durch die Mundschleimhaut und unter Umgehung der Leber in den Blutkreislauf. Die Tabletten dürfen nicht zerkaut und/oder geschluckt werden, weil ansonsten eine Aufnahme aus dem Darm erfolgen und der größte Teil des Buprenorphin in der Leber abgebaut würde.
L-Methadon
L-Methadon (Levomethadon) besitzt eine Wirkdauer von etwa 4 bis 8 Stunden, wobei die Geschwindigkeit, mit welcher die Substanz den Körper verläßt, von Patient zu Patient erhebliche Unterschiede aufweisen kann. Dieser Sachverhalt erfordert eine sorgfältige Dosisanpassung und die Überwachung der Patienten während der Einstellungsphase, bis ein Gleichgewicht zwischen Zufuhrund Abbau bzw. Ausscheidung des L-Methadon erreicht ist.
besitzt eine hohe analgetische Potenz und die Fähigkeit, biologische Barrieren, wie z. B. die äußere Haut, gut zu durchdringen. Aufgrund dieser Eigenschaften ist es möglich, Fentanyl in Form eines Pflasters zu verabreichen, wobei es etwa einen Tag lang dauert, bis sich in der Haut ein Depot aufgebaut hat, aus welchem der Wirkstoff mit gleichmäßiger Geschwindigkeit in das Blut abgeben wird. Ein Wechsel des Pflasters ist alle 2 bis 3 Tage erforderlich.
Soll die Behandlung nicht weiter fortgesetzt werden, dauert es nach Entfernung des Pflasters etwa 12 bis 24 Stunden, bis der Blutspiegel aufgrund der Abflutung aus dem Hautdepot unterhalb therapeutisch wirksamer Konzentrationen abgesunken ist. Das Fentanyl-Pflaster ist vorteilhaft insbesondere für Patienten, die ein stabiles Schmerzniveau – d. h., der Schmerz wechselt nicht im Tagesverlauf – aufweisen und aufgrund von Schluckbeschwerden keine Tabletten einnehmen können. Die Hautstelle, auf welche das Pflaster geklebt wird, soll nicht mit einem Rasiermesser enthaart werden, um eine Zerstörung der Hornhaut zu vermeiden.
Zu beachten ist ferner, daß die Geschwindigkeit der Fentanylabgabe aus dem Pflaster von der Temperatur abhängig ist und daher bei äußerer Wärmeanwendung (z.B. Auflegen eines Heizkissens) oder bei Fieber mehr Wirkstoff ins Blut gelangt.
Zusammenfassung
Insgesamt ist festzustellen, daß der hohe Stellenwert, den Morphin in der Therapie chronischer Schmerzen genießt, auch durch die Entwicklung einer Reihe neuer Opioidanalgetika nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Substanzen mit einem geringeren Nebenwirkungsrisiko weisen in der Regel auch eine verminderte analgetische Wirksamkeit auf, oder die Wirkstoffe sind mit anderen Nachteilen behaftet, welche den therapeutischen Einsatz begrenzen. Bei sachgerechter Anwendung sind Opioidanalgetika sichere Arzneistoffe, mit welchen eine deutliche Schmerzlinderung und in den meisten Fällen sogar Schmerzfreiheit erreicht werden kann.
Erläuterung der Fachbegriffe
Gegenspieler des Morphins, Medikament, das die gleichen Rezeptoren besetzt aber die Wirkung des Morphins aufhebt, in diesem Fall ist das Naioxon ein Morphinantagonist
spezif. Bindungsstellen für Endorphine u. Opiate im Gehirn
Zwischenprodukt beim Abbau oder bei der Aufnahme durch den Körper ( Stoffwechsel), in diesem Falle ist das Morphin-6-glukuronid ein Metabolit des Morphins
entsteht bei der Verarbeitung von Glukose (Einfachzucker oder Traubenzucker) im Körper, die Glukuronsäure hat unter anderm eine Funktion bei der Entgiftung des Körpers