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Glykoside– Heil- und Abwehrstoffe
Glykoside haben als Pflanzenwirkstoffe einen festen Platz in der Heilkunde. Sie sind aus zwei Bestandteilen aufgebaut, von denen einer der beiden sie in mehrere Gruppen, wie etwa Flavonoide oder Senfölglykoside, aufteilt.
Während Glykoside den Pflanzen bei der Abwehr von Fressfeinden helfen, sind sie für Menschen, richtig angewandt, wirkungsvolle Heilstoffe.
Da jedes Glykosid eine andere Wirkung hat, sind auch ihre Einsatzgebiete vielfältig.
So können unterschiedliche Glykoside als Herzmedizin eingesetzt werden, die Verdauung fördern oder schleimlösend wirken.
Glykoside Definition und Aufbau
Inhaltsverzeichnis
Glykoside sind, ganz allgemein, Zuckerkonjugationen (Chemische Zuckerverbindungen mit spezieller Beschaffenheit). Es sind organische Stoffe bei welchen ein Alkohol mit einem Zucker verbunden ist. Die Bindung zwischen Alkohol und Zucker wird als glykosidische Bindung bezeichnet. Doch es sind auch sekundäre Pflanzenstoffe. Sie bestehen aus zwei Bestandteilen. Einmal aus einem Zuckerteil, entweder einem Einfachzucker oder einer einfachen Zuckerkette, und einem weiteren sekundären Teil.
Dieser zweite Teil sorgt für die Unterteilung der Glykoside in Gruppen. Bei dem zweiten Teil kann es sich um einen der folgenden Bestandteile handeln:
- Blausäure
- Schwefel
- Drei Kohlenstoffringe
- Steroide
Durch sie kommen die unterschiedlichen Glykosid-Gruppen zustande:
- Cyanogene Glykoside (Mit Blausäure gebildet)
- Flavonoide (Mit Kohlenstoffringen gebildet)
- Senfölglykoside (Mit Schwefel gebildet)
- Steroidglykoside/Herzglykoside (Mit Steroiden gebildet)
Doch es gibt noch weitere Arten von Wirkstoffen die sich aus einer glykosidischen Bindung ableiten lassen. Zu ihnen gehören beispielsweise:
- Cumarine
- Saponine
- Anthocyane
Diese liegen in den Pflanzen als Glykoside vor und erst wenn sie von der Pflanze für die Abwehr, den Transport oder den Wiederaufbau benötigt werden, kommen sie durch die Abspaltung des Zuckerteils (Glykon) durch das Enzym Glykosidase zum Einsatz.
Aufbau
Glykoside weisen im Normalfall eine R-O-Z Struktur auf. Diese Struktur verbindet ein Alkohol (R-OH) mit einem Zucker (Z). Es handelt sich Vollacetate von Zuckern. Der Alkohol kann aus einem anderen Zucker oder aber aus einer anderen Hydroxyverbindung bestehen.
Zucker und Alkohol Gehen eine glykosidische Bindung ein.
Diese Bindung entsteht aus einem Zucker Halbacetal, einer cyklischen Zuckerform und dem entsprechend variablen verbundenen Stoff.
Wenn ein Glykosid aus einem Nichtzucker und einem Alkohol aufgebaut wird, und das kommt in der Natur durchaus auch vor, spricht man nicht vom Glykon, sondern vom Aglykon.
Bei der Biosynthese von Glykosiden in Pflanzen entsteht das Glykosid durch Glucose gewonnen. Die Glykoside dieser, werden durch ein aktiviertes Glucoseteilchen und ein Aglykon (Nichtzucker) hergestellt.
Die Glucose wird also anfangs durch ATP phosphoryliert.
Es folgt eine Isomerierung, im Anschluss aktiviert Uridintriphosphat die Glucose. UDP Glucose entsteht, diese enthält energiereiches Anhydrid. Bei der Reaktion mit dem Aglykon entstehen (je nachdem ob dieses mit O, S, N, etc. gebildet wird) so die unterschiedlichen Glykoside.
Bedeutung für die Medizin
In der Medizin und bei der Bekämpfung von Krankheiten werden sowohl pflanzliche/natürliche, als auch künstlich hergestellte Glykoside genutzt.
Vor allem aber als sogenannte Herzglykoside und Aminoglykosid-Antibiotika.
Herzglykoside
Hierbei handelt es sich um aktive pharmakologische Wirkstoffe die aus diversen Pflanzen, wie dem Fingerhut (Digitalis purpurea) gewonnen werden.
Sie wirken aktiv auf die Kontraktionsfähigkeit des Herzens ein (inotrope Wirkung) oder sie senken die Schlagfrequenz des Herzens (negativ chronotrop) oder die Erregungsleitung des Herzens (negativ dromotrop).
Die Substanzen die dabei eingesetzt werden sind vor allem Digoxin, Digitoxin, Strophantin oder Deslanosid.
Die Herzglykoside hemmen die Natrium–Kalium-ATPase in den Muskelzellen des Herzens. So bleibt mehr Natrium in der Zelle und die Natriumkonzentration innerhalb, wie außerhalb der Zellen gleichen sich an. Dies wiederum führt zur Hemmung des Natrium–Calcium-Austauschers, was dazu führt das mehr Calcium in der Zelle bleibt.
Dieser Überschuss an Calcium wird nun ins sarkoplasmatische Retikulum der Herzmuskelzellen gesteckt. Dort steht also bei der nächsten Pumpaktion mehr Calcium zur Verfügung. Calcium ist verantwortlich für die Kontraktion von Muskelzellen, somit steigert sich die Kontraktionsfähigkeit (Inotropie) des Herzens.
Außerdem können Herzglykoside gegen Herzarrhythmien helfen, indem sie die Nervenbahnen des zehnten Hirnnervs (Nervus Vagus) aktivieren, welche den Herzrhythmus verlangsamen. Glykoside sorgen ebenfalls für eine verlängerte Überleitung im AV-Knoten (Atrioventrikulärer Knoten), einem der Schrittmacherzentren des Herzens, welches die Herzpumpleistung mitsteuert. Der Herzschlag verlangsamt und reguliert sich.
Erkrankungen bei denen Herzglykoside eingesetzt werden sind:
- Herzinsuffiziens
- Verschiedene Herzrhythmusstörungen
Aminoglykosid-Antibiotika
Diese Form der medizinisch eingesetzten Glykoside gehören zur Gruppe der Oligosaccharid-Antibiotika, also Antibiotika die aus einer ganzen Reihe Einfachzucker aufgebaut sind.
In Aminoglykosiden sind zwei oder mehr Zucker glykosidisch untereinander verbunden und zudem noch oft mit einem zusätzlichen Aglykon.
Aminoglykosid-Antibiotika wirken, indem sie sich an die 30s-Untereinheit von Ribosomen an Bakterien heften. Dort sorgen sie dafür das es zu Fehlern beim Ablesen kommt. Es kommt zur Bildung von richtigen und fehlerhaften Proteinen, so dass die aufgebauten Proteine von den Bakterien nicht genutzt werden können. Das Bakterium geht mangels Nachschub ein.
Diese Art der Antibiotika wirkt damit Bakterien abtötend.
Hier eine Liste der gängigsten Aminoglykosid-Antibiotika:
- Gentamicin
- Streptomycin
- Neomycin
- Hygromycin
- Amikacin
- Kanamycin
- Tobramycin
Damit lassen sich fast alle Bakterien durch Aminoglykoside bekämpfen. Nur Streptokokken und einige anaerobe Bakterien sind gegen diese Antibiotika resistent.
Weitere Glykoside
Zu ihnen gehören eine Reihe von Glykosiden wie beispielsweise:
- Senfölglykoside
- Flavonoide
- Anthocyanglykoside
Senfölglykoside
wie man sie in Senf, Kresse oder Meerrettich findet, sind antibakteriell und regen die Durchblutung an.
Flavonoide haben eine antioxidative Wirkung. Sie fangen freie Radikale im Blut, binden sie und machen sie so unschädlich für den Körper. Sie kommen in den meisten Obstsorten vor wie Äpfeln oder Grapefruits.
Anthocyanglykoside gehören ebenfalls zu den Flavonoiden und sind in den meisten Beerenfrüchten und Blüten vor, die blau, violett oder rot sind. Sie wirken stark antioxidativ und stehen im Verdacht sich positiv auf die Bekämpfung von entarteten Tumorzellen auszuwirken, indem sie ein „Selbstmordprogramm“ bei diesen Krebszellen auslösen.
Hilfreich und gefährlich
Auch wenn Glykoside einen wertvollen Beitrag in der Bekämpfung einiger Krankheiten leisten, so sind sie doch trotz allem mit Vorsicht zu genießen.
Denn diese Medikamente können in der falschen Dosierung eine verheerende Wirkung haben.
Doch auch Pflanzen in der Natur, welche Glykoside enthalten, sind mitunter hochgiftig.
Glykoside in Pflanzen
Die Toxizität von glykosidhaltigen Pflanzen findet sich vor allem bei den Pflanzen die cyanogene Glykoside beinhalten. Also Glykoside die mit Blausäure aufgebaut sind. In der bestehenden Verbindung sind diese Wirkstoffe zwar ungefährlich, doch wenn ein Tier oder ein Mensch diese Glykoside aufnimmt, wird der Zucker abgespalten und es bleibt die Blausäure übrig. Diese ist giftig für fast alle Organismen.
Beispiele für Pflanzen die solche Glykoside enthalten sind:
- Bittermandeln
- Obstkerne (Aprikose, Pfirsich, Äpfel)
- Limabohnen
- Maniok
- Lein (Samen)
- Hollunder
- Rosenwurz
- Flachs
- Kirschlorbeer
Dann gibt es noch die Cardenolide, Glykoside die herzwirksam sind. Pflanzen die solche Glykoside enthalten sind:
- Fingerhut
- Adonisröschen
- Maiglöckchen
- Oleander
- Meerzwiebel
- Hundsgiftgewächse
Da diese herzwirksamen Vertreter aber einen bedeutenden Einfluss auf die Schlagkraft des Herzens und seine Schlagfrequenz haben, kann eine überdosierte Einnahme oder der Verzehr solcher Pflanzen auch zu Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Herzrasen, Herzstolpern und letztendlich zum Herzinfarkt führen.
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen von Herzglykosiden
Unter der Einnahme eines Medikaments das diese beinhaltet, kann es unter Umstanden zu folgenden Nebenwirkungen kommen:
- Hautrötungen
- Lupus-erythematodes-like-Syndrom
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Übelkeit
- Erbrechen
- Durchfall
- Appetitlosigkeit
- Herzrhythmusstörungen
- Allergische Reaktionen
Denn auch wenn Herzglykoside eine großartige Leistung bei diversen Herzerkrankungen leisten, sind sie an sich toxisch. Nur in der richtigen Dosierung leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Genesung des Patienten.
Aminoglykosid-Antibiotika Nebenwirkungen
Genau wie die Herzglykoside hat auch diese Form der Glykoside ihre möglichen Tücken.
Durch bestimmte chemische Prozesse unterbinden die Aminoglykoside die Signalweiterleitung in den Tubulusepithelien und Haarzellen von Nieren und im Ohr.
So können an den Nieren oder im Ohr schwere Schäden entstehen, die irreparabel sind.
Egal welches dieser Medikamente man zu sich nimmt, man sollte sich also stets sehr genau an die Vorgaben im Bezug auf die Einnahme und Anwendung halten.
Nur so können glykosidhaltige Medikamente einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit leisten.
Von Pflanzen die Giftstoffe enthalten, sollte man generell die Finger lassen!