Schlägt das Herz zu schnell, zu langsam oder unregelmäßig, spricht man von einer Herzrhythmusstörung bzw. Arrhythmie. Antiarrhythmika sind also Medikamente, welche bei einem abnormalen Herzschlag zum Einsatz kommen.
Die meisten Herzrhythmusstörungen stellen allerdings kaum ein Risiko dar, weshalb sie keiner Behandlung bedürfen. Die Einnahme kann außerdem schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringen und beispielsweise selbst eine Herzrhythmusstörung auslösen. Daher werden sie nur in ernsten Fällen verordnet.
Table of Contents
Was sind Antiarrhythmika?
Inhaltsverzeichnis
Antiarrhythmika sind Medikamente zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen (kardiale Arrhythmie). Eine Herzrhythmusstörung liegt vor, wenn die Herzfrequenz gestört ist, das Herz also zu schnell, zu langsam oder unregelmäßig schlägt. Zu den Herzrhythmusstörungen zählen beispielsweise die Sinusbradykardie, Vorhofflimmern oder die ventrikuläre Tachykardie.
Die Einnahme eines Antiarrhythmikums kann allerdings schwerwiegende Nebenwirkungen haben und sogar selbst Herzrhythmusstörungen auslösen. Bei Patienten mit nicht-lebensbedrohlichen Arrhythmien zeigen sie keine lebensverlängernde Wirkung, vielmehr noch können sie hierbei sogar die Sterblichkeitsrate erhöhen.
Aus diesem Grund erfolgt die Gabe eines Antiarrhythmikums nur nach einer sehr strengen Nutzen-Risiko-Abwägung.
Antiarrhythmika werden typischerweise nach Vaughan Williams in 4 Klassen unterteilt. Hierzu zählen unter anderem Natriumkanalblocker wie Lidocain-artige Medikamente, Betablocker, Kaliumkanalblocker und Calciumkanalblocker.
Viele Medikamente, die zu den Antiarrhythmika zählen, haben auch weitere Wirkungen und kommen daher auch zu Behandlung anderer Erkrankungen wie z. B. Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) zum Einsatz.
Anwendung (Indikation)
Antiarrhythmikum – Anwendungsgebiete
Ein Antiarrhythmikum wird nur dann bei Herzrhythmusstörungen verordnet, wenn die Arrhythmie mit ernsten Risiken, wie etwa einem plötzlichen Herztod, einhergeht. Personen mit einer Herzrhythmusstörung ohne Symptome und ohne ein hohes Risiko für Folgeerkrankungen werden nicht mit Antiarrhythmika behandelt.
Außerdem werden Antiarrhythmika nicht zur Behandlung der Grunderkrankung eingesetzt, welche zu den Arrhythmien führt, sondern nur um die Symptome und Folgen der Herzrhythmusstörung zu behandeln. Mögliche Ursachen einer Arrhythmie sind z. B. Herzfehler wie ein Herzklappenfehler, eine koronare Herzkrankheit (KHK) oder eine arterielle Hypertonie (Bluthochdruck).
Die Behandlung einer Herzrhythmusstörung sollte also in erster Linie auf der Behandlung der Grunderkrankung beruhen. Erst wenn diese zu einer Störung der sogenannten Hämodynamik führen, also bspw. zu Symptomen wie Schwindel, Synkopen (Ohnmacht) oder einer Belastungsinsuffizienz (Herzinsuffizienz unter Belastung) führen und/oder ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod besteht, sind Antiarrhythmika hierbei indiziert.
Zu den Herzrhythmusstörungen bzw. Indikationen von Antiarrhythmika zählen:
- Supraventrikuläre Rhythmusstörungen (am Vorhof)
- Extrasystolen (zusätzliche Herzschläge)
- Vorhofflimmern
- Vorhofflattern
- Supraventriukläre Tachykardie (zu schneller Herzschlag)
- SA-Block
- Ventrikuläre Rhythmusstörungen (an der Kammer)
- Ventrikuläre Tachykardie
- Kammerflattern
- Kammerflimmern
- Sinusbradykardie
- Atrioventrikuläre Blockierungen (AV-Block)
- AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT)
Weitere Anwendungsgebiete von Arrhythmie-Medikamenten
Antiarrhythmika Medikamente kommen darüber hinaus auch bei anderen Erkrankungen zum Einsatz.
Anwendungsgebiete von Natriumkanalblockern (Klasse-I-Antiarrhythmika) sind:
- Lokalanästhesie
- Antikonvulsivum (Antiepileptikum)
- evtl. Mukoviszidose
Indikationen von Betablockern (Klasse-II-Antiarrhythmika) sind:
- Herzinfarkt (Myokardinfarkt)
- Koronare Herzkrankheit (KHK)
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
Anwendungsgebiete von Kaliumkanalblockern (Klasse-III-Antiarrhythmika) sind:
- Diabetes mellitus
- Multiple Sklerose (ms)
- Lambert-Eaton-Rooke-Syndrom (LES)
Indikationen von Calciumkanalblockern (Klasse-IV-Antiarrhythmika) sind:
- Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
- Koronare Herzkrankheit (KHK)
- Vasospasmen (Gefäßkrämpfe) nach einer SAB
- Lungenarterienhochdruck (pulmonale Hypertonie)
- Morbus Raynaud
Klassen & Übersicht
Einteilung von Antiarrhythmika – Die 4 Vaughan Williams Klassen
Die Klassifikation von Antiarrhythmika erfolgt typischerweise nach ihren elektrophysiologischen Wirkmechanismen (elektrochemische Signalübertragung in Geweben und Zellen) und wurde 1970 von Miles Vaughan Williams eingeführt.
Vaughan-Williams Antiarrhythmika-Klassifikation
- I Klasse – Natriumkanalblocker
- IA Klasse (Chinidin-artig)
- IB Klasse (Lidocain-artig)
- IC Klasse (Mischtyp)
- II Klasse – Betablocker
- III Klasse – Kaliumkanalblocker
- IV Klasse – Calciumkanalblocker
Der Nutzen der vier Klassen wurde allerdings oft kritisiert, da einige Antiarrhythmika mehrere Wirkungsweisen haben, also theoretisch mehreren Klassen zuzuordnen sind, was zu Ungenauigkeiten in der Klassifikation führt.
Darüber hinaus ist es auch nicht immer einfach, die Indikationen eines Antiarrhythmikums anhand der Klassen abzuleiten. Außerdem gibt es auch Arrhythmie-Medikamente, die in keine dieser Kategorien fallen:
Weitere Antiarrhythmika sind:
- Adenosin
- Digitalisglykoside
- Parasympatholytika
- Sympathomimetika
- If-Kanal-Blocker
- Magnesium
Da die Arzneistoffe zur Behandlung von Arrhythmien jedoch sehr komplex sind, konnte bisher keine Einteilung gefunden werden, mit welcher sich die Medikamente sinnvoller klassifizieren lassen.
Präparate & Handelsnamen
Welche Medikamente gehören zu den Antiarrhythmika?
Es gibt sehr viele verschiedene Antiarrhythmika und noch viel mehr einzelne Präparate bzw. Handelsnamen für die unterschiedlichen Medikamente. Nachfolgend finden Sie Listen der antiarrhythmischen Wirkstoffe angeordnet nach ihrer Klasse.
Klasse-I-Antiarrhythmika
Natriumkanalblocker – Antiarrhythmikum der Klasse I
Antiarrhythmika der Klasse I werden in folgende Subklassen unterteilt:
- IA Klasse (Chinidin-artig)
- IB Klasse (Lidocain-artig)
- IC Klasse (Mischtyp)
Zwischen 1986 und 1998 wurde eine Studie über die Wirksamkeit von Klasse-I-Antiarrhythmika durchgeführt, welche eine erhöhte Sterblichkeitsrate bei der Einnahme von Antiarrhythmika der Klasse I nachwies. Seither kommen Klasse-I-Antiarrhythmika daher kaum noch zum Einsatz. Eine Ausnahme bilden lediglich folgende Klasse-I-Medikamente:
- Ajmalin – bei AV-Reentrytachykardie (Mittel der ersten Wahl) sowie bei supraventrikulären und ventrikulären Tachykardien (Akuttherapie)
- Propafenon – bei supraventrikulären Tachykardien und Vorhofflimmern (medikamentöse Kardioversion)
- Flecainid – u. a. bei schweren symptomatischen supraventrikulären Arrhythmien und AV-junktionalen Tachykardien
Klasse-IA-Antiarrhythmika
sind:
- Chinidin
- Procainamid
- Disopyramid
- Ajmalin
- Prajmalin
- Ajmalicin
Klasse-IB-Antiarrhythmika
sind:
- Lidocain
- Mexiletin
- Phenytoin
- Tocainid
Klasse-IC-Antiarrhythmika
sind:
- Flecainid
- Propafenon
- Aprindin
- Moricizin
Klasse II (Betablocker)
Betarezeptorenblocker – Antiarrhythmikum der Klasse II
Betarezeptorenblocker oder auch kurz Betablocker kommen hauptsächlich zur Behandlung von Herzrhythmusstörung und der Koronaren Herzkrankheit (KHK) sowie zur Vorbeugung eines zweiten Herzinfarkts zum Einsatz.
Zu den Betablockern zählen beispielsweise:
Detailliertere Informationen hierzu finden Sie in unserem Ratgeber über die Betarezeptorenblocker.
Kaliumkanalblocker (III)
Kalium-Kanalblocker – Antiarrhythmikum der Klasse III
Kaliumkanalblocker kommen bei Arrhythmien sowie bei Diabetes mellitus, Multipler Sklerose, LEMS und Nystagmus zum Einsatz.
Zu den Antiarrhythmika der Klasse III zählen:
- Amiodaron
- Azimilid
- Bretylium
- Dofetilid
- Ibutilid
- Nifekalant
- Sematilid
- Sotalol
- Tedisamil
Handelsnamen von Amiodaron sind beispielsweise:
- Amiodares
- Amiogamma
- Cordarex
- Cordarone
- Cornaron
- Escordaron
- Sedacoron
Calciumkanalblocker (IV)
Kalzium-Kanal-Blocker – Antiarrhythmikum der Klasse IV
Calciumkanalblocker kommen hauptsächlich zur Behandlung von Arrhythmien und Bluthochdruck zum Einsatz. Allerdings wurden Calciumantagonisten mittlerweile in vielen Fällen von anderen Wirkstoffen verdrängt. So gelten bspw. bei Vorhofflimmern Betablocker als Mittel der ersten Wahl. Einige Calciumkanalblocker wie etwa Verapamil finden jedoch weiterhin bei Vorhofflimmern Anwendung.
Zu den Calciumantagonisten zählen beispielsweise:
- Dihydropyridine wie Nifedipin, Lercanidipin und Amlodipin
- Phenylalkylamine wie Verapamil
- Benzothiazepine wie Diltiazem
Ausführliche Informationen hierzu finden Sie in unserem Ratgeber zu den Calciumkanalblockern.
Funktion & Wirkung
Wirkungsweise von Antiarrhythmika
Die Wirkungsmechanismen von Antiarrhythmika sind sehr komplex, wie auch die Funktion des Herzens und die zugrundeliegenden Ursachen der Herzrhythmusstörungen.
Außerdem gibt es einige Antiarrhythmika, die in keine der vier Vaughan Williams Klassen fallen, da sie auf anderen Mechanismen beruhen (Adenosin, Digitalisglykoside, Parasympatholytika, Sympathomimetika, If-Kanal-Blocker, Magnesium).
Verabreichung & Einnahme
Wie wird ein Antiarrhythmikum eingenommen?
Die meisten Antiarrhythmika werden, abhängig von der Situation, oral oder intravenös verabreicht werden.
Antiarrhythmika der Klasse I wie Lidocain und Procainamid kommen typischerweise in Notallsituationen zum Einsatz und werden daher intravenös verabreicht, also mittels Injektion in eine Vene gespritzt. Dadurch gelangt der Wirkstoff direkt in die Blutbahn, sodass die Wirkung unmittelbar einsetzt.
Mexiletin ist das orale Analogon von Lidocain – es beruht also auf den gleichen Wirkmechanismen, kann aber oral, also bspw. als Tablette, verabreicht werden. Propafenon und Flecainid werden ebenfalls oral verabreicht.
Die Einnahme von Chinidin kann sowohl oral als auch intravenös erfolgen. So auch Digoxin, welches jedoch zusätzlich auch intramuskulär, also mittels Spritze in einen Muskel, verabreicht werden kann.
Disopyramid ist in Form von Kapseln erhältlich – auch als sogenannte Retard-Kapseln, bei denen der Wirkstoff allmählich freigesetzt wird.
Risiken & Nebenwirkungen
Was sind mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Antiarrhythmika?
Antiarrhythmika können schwerwiegende Nebenwirkungen haben und sollten daher nur unter großer Vorsicht verabreicht werden. Auch wenn es sich hierbei um Medikamente zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen handelt, haben Antiarrhythmika selbst ein proarrhythmisches Potential, sie können also selbst Herzrhythmusstörungen auslösen.
Aus diesem Grund müssen Patienten, die ein Antiarrhythmikum erhalten, streng überwacht werden – insbesondere zu Beginn der Behandlung, also bei der Neueinstellung. Die Kontrolle erfolgt unter anderem mittels EKG (Elektrokardiogramm) und der Bestimmung von Elektrolyten oder des Plasmaspiegels.
Da die Antiarrhythmika auf unterschiedlichen Wirkmechanismen beruhen, sind auch die möglichen Nebenwirkungen sehr vielfältig und von der Art des Antiarrhythmikums abhängig. So hat Chinidin beispielsweise andere Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Gegenanzeigen als Amiodaron.
Häufige Nebenwirkungen von Antiarrhythmika sind insgesamt:
- Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen)
- Schwindel
- Übelkeit
- Verstopfungen
- Zu schneller Herzschlag
- Verlangsamter Herzschlag
- Kopfschmerzen
- Sehstörungen
Zu den Nebenwirkungen von Natriumkanalblockern (Klasse I) zählen:
- Tachykardie (schneller Herzschlag)
- Mundtrockenheit
- Harnverhalt
- Sehstörungen
- Übelkeit und Durchfall
- Schwindel
Nebenwirkungen von Betablockern (Klasse II) sind vor allem:
- Bradykardie (verlangsamter Herzschlag)
- AV-Block (atrioventrikuläre Leitungsstörung)
- Verschlimmerung von copd und Asthma
- Lethargie (Trägheit, Müdigkeit)
- Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung)
Kaliumkanalblocker
(Klasse III) können zu folgenden unerwünschten Wirkungen führen:
- Erhöhtes Risiko für Torsade de pointes (Sonderform der ventrikulären Tachykardie)
- Lungenfibrose (Veränderung des Lungengewebes)
- Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
- Bradykardie (verlangsamter Herzschlag)
Calciumkanalblocker
(Klasse IV) können u. a. zu folgenden Nebenwirkungen führen:
- Ödeme (Wassereinlagerungen)
- Allergische Reaktionen
- Bradykardie (verlangsamter Herzschlag)
- Tachykardie (schneller Herzschlag)
- Obstipation (Verstopfungen)
Zu den Nebenwirkungen von Chinin zählen:
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Übelkeit
- Sehstörungen
- Tinnitus
Unerwünschte Wirkungen von Disopyramid sind zum Beispiel:
- Trockene Haut und Hautrötungen
- Vermehrter Durst und Mundtrockenheit
- Obstipation (Verstopfungen)
- Harnverhalt (Blasen-Entleerungs-Störungen)
- Akkommodationsstörungen (Sehstörung)
Wechselwirkungen & Gegenanzeigen
Antiarrhythmika – Wechselwirkungen (Interaktionen) und Gegenanzeigen (Kontraindikationen)
Antiarrhythmika können mit vielen Medikamenten interagieren und so zu Wechselwirkungen führen. Außerdem dürfen sie in einigen Fällen nicht eingenommen werden (Kontraindikationen bzw. Gegenanzeigen).
Da sich die verschiedenen Klassen und Präparate jedoch stark unterscheiden, lassen sich keine allgemeinen Aussagen zu den Kontraindikationen und Wechselwirkungen treffen. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie in den jeweiligen Ratgebern.
Spezifische Ratgeber zu den einzelnen Antiarrhythmika Präparaten:
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